Der zweite Ruhetag ist vorbei. Er war ein «Transporttag» und kriegerischen Dingen gewidmet. Heute muss ich leiden – 18 km praktisch nur auf Asphalt und direkt neben oder auf reich befahrenen Strassen. Und dann fast ohne vor der Sonne schützenden Bäumen. Zum Glück bin ich früh weg von Melegnano. Entsprechend schön der Beginn der Wanderung. Morgenrot. Einige Pfade, dann aber schlug der Asphalt zu…
Von Melegnano/Marignano ging es auf einem asphaltierten Rad- und Fussweg aus dem «Schlachtendorf» hinaus, unter Autobahn-Brücken durch aufs offene Feld – aber mehr oder weniger immer entlang der Strasse, vorbei an kleinen Weilern, Höfen, Dörfern – Cerro al Lambro, Salerano al Lambro, «wie auch immer-al Lambro» - Lambro ist der Fluss, den ich nie zu Gesicht bekam! Er versteckte sich scheinbar vor mir. Dafür entdeckte ich Vorgärten und Höfe und widmete mich «gärtnerischen» Gedanken.
Nicht nur die Gärten vor und hinter den Häusern sollten gepflegt werden, auch unser «innere» Garten braucht Pflege, braucht Selbstkultivierung. Wenn wir gute Gärtner sind, dann sind wir in einer guten Verfassung. An vielen Häusern oder Bauernhöfen, an denen ich vorbei wandere, sind die Gärten, Vorplätze, Unterstände ungepflegt, verwahrlost, hässlich. Die Bauern-Höfe sind oft «Fried-Höfe» - Auto- und Traktoren-Wracks, umherliegende Plachen, Kisten, Reifen etc. Italien ist in Unordnung – nicht nur gärtnerisch, auch politisch, wirtschaftlich, das wissen wir. (Zur Ehrenrettung Italiens muss ich zwei Frauen erwähnen, die ich heute früh am Morgen auf einer Fussgängerbrücke «fetzln», Unrat, Weggeworfenes aufsammeln sah. Chapeau!)
Wenn man durch diese eintönige Po-Landschaft wandert, an kleinen Siedlungen und Häusern vorbei mit Vorgärten, so ungepflegt wie viele Menschen, dann kann man dies mit der eigenen Gemütsverfassung vergleichen. Wandern ist auch «Körper-, Geistes- und Seelenpflege». Unseren «Seelengarten» müssen wir ebenso pflegen wie unseren tatsächlichen Garten – und da kann weitwandern helfen. Wir sehen andere Kulturen, andere Menschen, andere Schicksale. Wandern reinigt uns innerlich, führt zu innerem Ausgleich.
Noch bin ich mit meinen «Reinigungsarbeiten» aber nicht so weit, der Ausgleich nicht immer da. Im Moment ist es einfach schön, nach 18km sich hinzu setzen, auszuruhen, die neue Umgebung auf mich einwirken lassen, das Gesehene von heute nachzuerleben.
Nach diesen schier endlosen achtzehn Asphalt-Kilometern erreiche ich ein wirbliges Sant’Angelo Lodigiano – es ist Mittwoch, Markttag. Überall Marktstände, Kindergeschrei, verbales, lautes Feilbieten, kaum Durchkommen. Mit etwas mehr als 13'000 Einwohner ist Sant'Angelo Lodigiano ein kleines Städtchen und bietet nicht viel, nicht einmal ein gutes Restaurant, in dem ich meinen Asphalt-Frust runterspülen und -essen könnte. Einzig das mächtige Castello Bolognini lockt mich noch – es wurde im 13. Jahrhundert zur Sicherung des Übergangs über den Lambro (schon wieder dieser Kerl!) erbaut – ist aber geschlossen.
Nun also, zuerst Käse und Bürli kaufen, Füsse hochlagern und dann diesen vermaledeiten Lambro suchen gehen…

Gestern Abend in einer "Habsburg"-ähnlichen Bar in Marignano...

..und heute zu Early-Bird-Zeit auf dem - noch - Kies-Weg. Rechts ein Medici-Palast, der auch schon bessere Zeiten erlebt hat.

Asphaltierter Jogging-, Wander- und Radweg durch "Törggen-Felder"....

Wüsste man nicht, dass Brücken in Italien einstürzen könnten - man könnte die filigranen Bauwerke echt lieben...

Weniger schön die Vorgärten und...

...lieblosen Kinderspielplätze.

Dieser Hof, so sauber und aufgeräumt er von aussen scheint, ist ein einziger "Bauern-Friedhof"!

Sehr lebendig dafür Sant'Angelo Lodigiano am Markttag.

Das mächtige Castello Bolognini - geschlossen.

Die Kathedrale von Sant'Angelo Lodigiano mit dem...

...Krieger-Engel auf dem Kirchturm- wo bei uns ein Güggel oder ein Kreuz zu sein pflegt....
Tiramisu-Untersuchung heute fortgesetzt...;-)
Das war tatsächlich ein schwere Tag. Ich hoffe das du doch noch ein Restaurant findest um deine Tiramisu Untesuchungen weiter zu führen.