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Tag 16: Sant’Angelo Lodigiano–Ospedaletto L. (24 km!). Unterkünfte. Loblieder. Petrarca. Flüchtling

Autorenbild: Reini FreiReini Frei

Vorsätze sind da, um gebrochen zu werden – oder gebrochen werden müssen, auch wenn man es nicht will. So wollte ich auch heute unter 20km bleiben, aber ich hatte mich bei der Wahl der Übernachtung vertan. Weit und breit war in diesem Ospedaletto via Booking keine Unterkunft auszumachen – weit draussen erst, nahe der Autobahn Strada del Sud, im Industrieviertel ein Motel – aber eben, fünf weitere Kilometer. Und kein Bus weit und breit. Also, marsch!


So mühsam das Ende, so schön der Beginn: feuriges Morgenrot über dem Horizont. Der Himmel glüht. Der vor mir liegende Asphalt-Weg wird meine Füsse zum Glühen bringen, denke ich. Dem ist aber nicht so. Meine Begleitung im Komood-App, «Margreth», weist mich nach zwei, drei Kilometer weg von der Strasse auf Wies- und Waldpfade. Kein Autolärm, kein Asphalt, nur abgemähte Felder, Sträucher, selten befahrene Pfade. Ein feiner, kühlender Wind, leicht bewölkt – ideales Wanderwetter. Ich muss einfach ein Loblied auf diese moderne Art der Wanderbegleitung singen. Hier hätte ich nie und nimmer einen Weg gefunden, auch mit einer 20’000er-Karten nicht. Auch, weil kein einziger Cammino oder Francigena-Wegweiser zu sehen ist – zumindest auf der ersten Hälfte des Weges.


Erst bei Ca Bianca, einer Weggabelung, ein Cammino-Wegweiser, der nach links weist. «Margreth» aber meint nach rechts. Ich entscheide mich für sie – und sie sollte recht behalten. Es geht wieder auf völlig menschenleeren Pfaden durch den «Parco della Collina di San Colombano». Kein geringerer als der grosse Dichter und Wanderer Francesco Petrarca (1353) steht für das zweite Loblied des Tages, für diesen Park:

«Dies ist ein unbestimmter und sehr fruchtbarer Hügel, der sich fast in der Mitte des cisalpinen Galliens befindet, zu dem S. Colombano neben Borea und Euro liegt, eine bekannte Burg, die von starken Mauern umgeben ist. Es ist möglich, eine weite Aussicht auf edle Ländereien zu sehen; Sobald du dich um das Auge drehst, bieten sich Pavia, Piacenza und Cremona vor dir an.»


Petrarca gilt aufgrund seiner Besteigung des Mont Ventoux im Jahre 1336 als erster Tourist und heute als «Vater der Bergsteiger» und Begründer des Alpinismus. Oben auf dem Berg damals angekommen, hat er – visionär – folgenden Spruch seinem Bruder diktiert:

„Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfliessenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst.“


Etwas mehr als tausend Hektar umfasst der «Columban-Park», in dem auch die Rebe – neben Obstbäumen, Gemüsen, Kirschen, Feigen, Erbsen – noch immer ihren Platz hat. Und bei einer verstohlenen Trauben-Kostprobe am Wegesrand würde ich raten: 105 Öchsle… Mal sehen, ob der «Rebensaft» heute Abend von hier ist…

Bald aber ist es mit der lustigen Wanderei zu Ende. Ich stehe vor einem schier unüberwindlich hohen, mit spitzen Zacken bewehrten Gitter! Das hat mir «Margreth» eingebrockt, die mich bei einer neuerlichen Francigena/Colombano-Abzweigung weiterschickt. Raufklettern, Hemd aufreissen, «Kuss» des Oberschenkels mit dem Zacken und Runterspringen. Geschafft! Das muss «Margreth», respektive Komood gemeldet werden.


Nach etwas mehr als vier Stunden, zum Schluss wieder mal entlang einer Strasse mit LKW-Begleitung, erreiche ich das Motel ausserhalb Ospedaletto.


An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass praktisch alle Pilgerherbergen in Italien geschlossen oder mit Flüchtlingen besetzt sind. Na ja, wäre eigentlich interessant, mit einem Flüchtling afrikanischer Abstammung über Weitwanderungen zu philosophieren und was er an seiner Weitwanderung so interessant fand. Ich glaube, er würde mich in unverständlichen Worten zum Teufel jagen…



Was für ein prächtiger Morgen...


...und ebenso prächtige Wanderwege, wobei...


...nicht alle Wege gleich auf den ersten Blick erkannt werden. Aber "Margreth" weist mir den Weg auch durch dichtestes Dickicht.


Links oder rechts? "Margreth" entscheidet...rechts! Recht hatte sie, bis...


...zu dieser Brücken-Unterquerung, die ein mehr als mannshohes Hindernis darstellte. Aber nicht für mich. Der "Lohn": ein Riss im Hemd, ein Kratzer auf dem Oberschenkel - aber kein Umweg zu machen, sondern auf dem richtigen Weg weiter!


Und diese Wege sind heute wieder einmalig schön. Und die Farben erinnern bereits an die Toskana...

Aber noch sind wir in der Lombardei - noch heute. Morgen kommt die Emilia Romagna - Land der Ferrari, Lamborghini, Maserati, De Tomaso und Ducati...

Endlich: der Lambro in seiner ganzen Pracht.


 
 
 

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Beitrag: Blog2 Post

Dies ist der persönliche Reise-Blog von Reini Frei

©2021 reini wandert. 

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